Bagua Zhang (Handfaustkampf der Acht Trigramme)
Ba Gua Zhang (Bagua Zhang, auch Pa Kwa Quan) ist wie ein Wirbelwind in dem die Kraft des Gegners immer wieder ins Leere läuft. Man wirbelt um den Gegner herum und greift immer dort an, wo es nicht erwartet wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Wu Shu Stilen, wird im Ba Gua Zhang weniger mit der geschlossenen Faust (Quan), sondern mit der offenen Hand (Zhang) gearbeitet. Der Gegner wird nicht direkt attackiert, sondern mit Stichen, Stößen, Schläfen und Würfen zu Fall gebracht.
Überblick
Ba Gua Zhang ist unter den Inneren Stilen neben Xing Yi Quan und Tai Chi Quan der jüngste Stil. Erst Anfang des 19 Jhd. entwickelt verbindet es die kreisförmige Bewegungslehre taoistischer Meditationsmethoden mit kämpferischen Techniken.
Während Xing Yi Quan wie eine Dampfwalze auf den Gegner zurollt und Tai Chi Quan die gegnerische Kraft aufnimmt, ableitet und zurückwirft, wirbelt Ba Gua Zhang um den gegnerischen Kraftraum herum und attackiert aus unvorhergesehenen Positionen.
Ba Gua wird nicht zu Quan, zum Faustkampf gezählt (wie z.B. Tai Chi Quan), sondern zu Zhang, zum Kampf mit offener Hand. Das Ba Gua Zhang System steht dem chinesischen Ringen nahe, was sich besonders an der Vielfalt der Würfe und Schleuderbewegungen verdeutlicht. Im Gegensatz zum europäischen Ringen oder dem japanischen Aikido (das geschichtlich aus Ba Gua Stilen hervorgegangen ist), wird im Ba Gua Zhang jedes Körperteil benutzt, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, ihn an unangenehmen Punkten anzugreifen und schlussendlich zu Fall zu bringen.
Die Grundlage jedes Ba Gua Zhang Trainings ist das Laufen im Kreis. Hierbei wird Stabilität im Bewegen geübt, aber auch die Grundintention des zirkulären und wirbelnden Angriffs trainiert.

Techniken und Methoden
Am Anfang steht im Ba Gua Zhang das „Laufen im Kreis“. Der Schüler lernt neben Kondition und Gleichgewichtskoordination beim Kreislaufen neue Schrittarten und spiralisierende Wurf- und Stoßtechniken. Das Im-Kreis-Laufen repräsentiert zum einen die Philosophie des Ba Gua Zhang sich niemals in die frontale Linie des
Gegners zu stellen und nie offensichtlich anzugreifen, zum anderen übt es angemessen die benötigt Beinmuskulatur und Körperkoordination, da es im Ba Gua Zhang eine Vielzahl von versteckten Beinscheren und Beinfegern gibt, die in verschachtelten Kombinationen eingesetzt werden.
Die Drehungen im Kreis sind sehr fließend, kraftvoll und für Anfänger oft sehr komplex. Die Techniken im Ba Gua Zhang zeichnen sich durch unvorhersagbare Verdrehungen und wirbelnde Positionswechsel aus, die intuitiv nur nach langem Training durchdrungen werden können. Daher sagt man in China auch:
„Wenn du Xing Yi Quan lernst, kannst du nach 5 Jahren aus dem Haus gehen, mit Tai Chi Quan nach 10 Jahren, aber mit Ba Gua Zhang solltest du nicht vor 15 Jahren aus dem Haus gehen.“
Dies verdeutlicht, dass die Techniken des Bagua Zhang zwar effektiv, aber komplexer sind als in fast allen anderen Kampfkünsten. Um Ba Gua Zhang zu meistern braucht man etliche Jahre intensives Training und demzufolge auch einen gewissen Durchhaltewillen.
Ba Gua Zhang wird in der Linie der Familie Shang seit mehreren Jahrzehnten zusammen mit Xing Yi Quan unterrichtet und verbunden, da sich beide Stile ergänzen und die Schwächen (die jede Kampfkunst hat) ausgleicht.
Da Ba Gua Zhang viele Techniken besitzt, die man vielleicht am ehesten mit „Ringen“ beschreiben könnte, werden hier beim Training viele Partnerübungen durchgeführt. Dabei ist das Ziel mit genügend Geschwindigkeit und Flexibilität in Bereiche des Gegners zu kommen, in der man selbst maximale Kraft entfalten kann, der Gegner jedoch nur suboptimal.

Geschichte
Bagua Zhang (der Kampfstil der Acht Trigramme Handflächen) ist der jüngste der drei sogenannten “Inneren Kung Fu-Stile” (Nei Jia Quan). Dieser Stil wird nicht zu den Boxen-Kampfkünsten (Quan = Faustkampf) gezählt, sondern eher in den Bereich des Ringens (Zhang = offene Handflächen), da hier neben Schlägen und Tritten vor allem Stoß, Wurf und Hebeltechniken trainiert werden.
Über die Entstehung des Bagua Zhang gibt es mindestens drei Theorien. Eine Hypothese besagt, dass Bagua Zhang bei Gegnern der damaligen Qing Dynastie entwickelt wurde. Eine andere Hypothese verortet den Ursprung dieser Kampfkunst bei zwei taoistischen Mönchen, welche in der Emei Region (Provinz Szechuan) lebten. Der historisch bisher gesicherte Ursprung ist jedoch ein Mann namens Dong Hai-Chuan (1798-1879/1882, geb. im Bezirk Wen-An, Provinz Hebei), der während der Qing Dynastie lebte.
Nach eigenen Angaben reiste Dong in seiner Jugend durch China und lernte bei mehreren Lehrern unterschiedliche Kung Fu-Stile. Aber kein Meister konnte seine Suche nach einer exzellenten und effektiven Kampfkunst vollends befriedigen. So reiste Dong schließlich zum Berg Jiuhua (Provinz Anhui), wo er einen Jungen sah, der einen merkwürdigen Kung Fu-Stil trainierte. Auf Dongs Frage, ob diese „Verrenkungen“ auch zum Kämpfen geeignet seien, wurde Dong von dem Jungen im freundschaftlichen Kampf überwältigend geschlagen. Dong suchte den Meister des Jungen auf und lernte von ihm über zehn Jahre diese (bis dato) unbenannte und unbekannte Kampfkunst.
In den meisten Geschichtsbüchern wird gesagt, dass der Name des Mönches unbekannt ist, und dass Dong selbst den Namen nie erwähnte (wenn er ihn überhaupt wusste). In taoistischen Kreisen war es damals (und heute) üblich, seinen Namen nicht als wichtig zu erachten, da es um die Sache geht. An anderer Stelle wird Dongs Lehrer Bi Dengxi genannt (vgl. Lu Shengli, Combat techniques of Taiji, Xingyi, and Bagua).
Nachdem Dong von seinem Lehrer alles gelernt hatte, was er ihm beibringen konnte, motivierte dieser Dong weiterzureisen und ein neues Leben anzufangen. Dong reiste daraufhin durch das Land, gewann viele Vergleichskämpfe und erreichte schlussendlich Beijing. Er arbeitete zuerst am Hofe des kaiserlichen Bruders König Su, der eine große Leidenschaft für Kampfkünste hegte und viele bekannte Meister zum Hofe einlud. Die Geschichte besagt, dass Dong beim Bedienen einer abendlichen Gesellschaft dem König auffiel, da er sich gewandt und äußerst geschickt durch den vollen Raum bewegen konnte, ohne auch nur einen der Gäste zu berühren. Fürst Su überredete Dong einige seiner Kampfkunsttechniken vorzuführen. Nachdem der Fürst Dong bedrängte seine beste Kunst zu zeigen, demonstrierte Dong die Techniken, die er von dem taoistischen Mönche gelernt hatte. Da diese Art des Kämpfens noch nie am Hofe gesehen worden war, fragte der Fürst nach dem Namen der Kampfkunst. Dongs Lehrer hatte jedoch nie einen Namen für diesen Stil genannt, daher dachte sich Dong kurzerhand einen Namen aus: Bagua Zhang. Nachdem Dong in einem folgenden Vergleichskampf sogar den Hauptmann der königlichen Sicherheitskräfte (Sha Huizi) besiegt hatte, wurde Dong zum Leiter der Sicherheitskräfte befördert.
Durch seine Anstellung am königlichen Hofe war es Dong in den kommenden Jahren jedoch nicht möglich eine normale Kampfkunstschule zu leiten. Somit konnte er nur einzelne Schüler unterrichten, die bereits einiges Vorwissen mitbrachten. Darüber hinaus lehrte Dong seinen Schülern vor allem das Bewegungsprinzip in Abhängigkeit der jeweiligen Körperstatur und Fähigkeiten des Schülers und keinen standardisierten Kanon an Techniken.
So kam es, dass jeder Schüler Dongs Stil etwas anders übernahm und bereits in der ersten Generation sich viele eigene Stile im Bagua Zhang-System entwickelten.
Die heute bekanntesten Stile sind der Yin-Stil (von Yin Fu, der Einflüsse des 18 Louhan Quan beinhaltet), Cheng-Stil (von Cheng Tinghua, welcher als Optiker arbeitete und auch im chinesischen Ringen sehr geübt war) und den Liu-Stil (von Liu Dekuan, der in seiner Jugend besonders Shaolin Liuhe Quan und Ying Zhua Quan /Adlerklauen Boxen gelernt hat).
Jeder dieser Bagua Zhang-Stile repräsentiert aber bis heute die elementaren Kampf- und Bewegungsprinzipien des ursprünglichen Bagua Zhangs von Dong Hai-Chuan. Allerdings differenzierten sich die verschiedenen Schulen sehr schnell, so dass es bis heute keine einheitliche Theorie und Kampfkunstphilosophie des Bagua Zhangs gibt (im Ggs. zum Xingyi Quan).
In unserem Verein trainieren wir den Stil von Cheng Tinghua (1848-1900), der auch als nan chen pai (Südstadt-Baguastil) oder long zhao zhang (Drachenkrallen Baguastil) bekannt ist. Er zeichnet sich besonders durch seine vom chinesischen Ringen (Shuai Jiao) beeinflussten Techniken aus und ist somit eine gute Ergänzung zum Shang Pai Xingyi Quan.
Zu den “Inneren Stilen” (Nei Jia Quan) werden klassischerweise Xingyi Quan, Taiji Quan und Bagua Zhang gezählt. Was “Innere Stile” bedeutet wird unterschiedlich ausgelegt. Profan hat der Begriff historische Gründe (Treffen von Meistern dieser drei Stile). Diese drei Stile kommen (wie auch andere Kungfu-Stile) alle genuin aus China und bedienen sich Metaphern und Bilder aus chinesischer Philosophie und Religion (besonders Taoismus). Daher kann man durch die Auszeichnung Innere Stile von Äußeren Stilen abgrenzen, die besonders durch den Einfluss des nach China gekommenen Buddhismus (vgl. Shaolin-Stile) beeinflusst sind. Vielleicht macht aber auch eine besondere gemeinsame Trainingsmethode diese Stile zu einer Stilfamilie.