Qi Gong, Nei Gong und Yang Sheng Gong 

Qi Gong, Nei Gong und Yang Sheng Gong 

 

Was ist Qi Gong 

 

Übungen zur Körperertüchtigung haben in China eine lange Tradition innerhalb und außerhalb der Kampfkünste. Auch wenn der Begriff Qì gōng relativ neu ist (ca. 1930-1950 in der VR China), gibt es schon seit der chinesischen Antike Übungen, welche der Lebenskultivierung und „Leibmeisterung“ (Schlicht 2013) dienen sollen. Allgemein kann man hierbei unbewegte Übungen (jìng gōng) im Stehen, Sitzen oder Liegen von bewegten/dynamischen Übungen (dòng gōng) unterscheiden.  

 

Der Begriff Qi Gong heißt grob übersetzt so viel wie Übungen mit dem Atem oder Lebensenergie, die weniger mit klassischen Aufwärmungen (Rennen, Liegestützte, Sit-ups etc.) zu tun haben, sondern primär auf die Ausbildung der richtigen Dehnung, Körperhaltung und Stärkung der Haltemuskulatur ausgerichtet sind. 

 

Was ist Qi? 

 

Über Qi wird in der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) und den so genannten inneren Chinesischen Kampflüsten (internal martial arts, IMA) viel diskutiert. Im ersten Schritt bezeichnet das moderne chinesische Piktogramm () schlicht eine dampfende Reisschale über einer Heizfläche und symbolisiert somit Essens-/Körperdämpfe. Es setzt sich zusammen aus den Radikalen qì () und mǐ (), also aus „aus Luftwolken/ Dampf) und „Reis“ (Unschuld 2013). Soweit bekannt gibt es keine etymologischen Vorläufer dieses Piktogramms in Orakelknochen oder Bronzezeit (Schlicht 2013). 

 

Modern wird unter dem Wort Qi verschiedenes verstanden, z.B. Lebenskraft, Lebensfunktion (Guorui 2006), welches gepflegt, genährt, oder verschleudert werden und sich ausdrückt in Wachheit, Mut, Inspiration, Ausdauer, etc. Es wurde auch als rhythmical vitality und breath bezeichnet (Smith 1974). Oft gibt es hierbei Anlehnungen an dem Konzept wie prana (Sanskrit), pneuma (alt.gr.), spiritus (lat.), ruakh (Bibl. Hebr.) und wird mit Lebensatem/Bioenergie assoziiert. 

 

Qi Gong, Nei Gong und Yang Sheng Gong 

 

Seit der chinesischen Antike gibt es das Bestreben durch körperlich-psychische Übungen das Wohlbefinden, die Gesundheit und ein langes Leben zu fördern. In Schriften wie dem „yǎng shēng zhī dào“ (养生之道, 700-221 v. Chr) wurden bereits die Kunst eine gute Gesundheit zu erhalten beschrieben. Auf Seidenbildern der Han Dynastie (206 v.Chr. – 220 n.Chr.) sind sogar Übungen (, dǎoyǐn) abgebildet, die heutigen Übungen stark gleichen (siehe auch Schriftrolle aus Mawangdui). Aus diesen „Übungen zur Lebenskultivierungen“ (yǎng shēng gōng, 养生功) sind später (vmtl. durch taoistische Einflüsse) Modifikationen in der Methodik und Ausgestaltung hinzugekommen, was zu dem geführt hat was heute unter Qi Gong (氣功, qì gōng), bzw. Nei Gong (, nèi gōng) verstanden wird. 

 

Auch heute wird oft dem Üben von Qi Gong Bewegungen eine gesundheitsfördernde Kraft zugesprochen. Früher wurden solche Übungen auch unter dem Begriff Nei Gong (= Innere Übungen) betitelt, da sie im Gegensatz zum sichtbaren Muskeltraining und Dehnübungen auch koordinierte Atemübungen und andere nicht sichtbare (innere) Aspekte trainieren (hier wird heute oft von Meridianöffnungen, Faszien Training, u.A. gesprochen). Bei einigen traditionellen Kungfu Stilen gehört heute ein Repertoire an verschiedenen Qi Gong/ Nei Gong Übungen zum Aufwärmen vor dem eigentlichen Techniktraining dazu. In einigen Schulen/ Stilrichtungen wird auch zwischen Nei Gong im engeren Sinne (d.h. oft daoistisch assoziiert) und Qi Gong Übungen (eher medizinisch assoziiert) unterschieden, was unterschiedliche Interpretationen und Zielsetzungen in diesen Übungen unterstreicht. 

 

Qi Gong Systeme in unserem Training 

 

  1. Aufwärm-Set 
  2. Acht-Brokate / bā duàn jĭn fă 
  3. Die Zwölf Säulen des Emei Qi Gongs / Éméi Shí Èr Zhuāng Gōng Fǎ 
  4. Xing Yi Nei Gong 
  5. Yang Shen Gong 

 

Aufwärm-Set 

 

Meister Dr. Li Lee hat für seinen Unterricht in Deutschland diverse Übungen zusammengestellt, welche den Körper und den Geist auf das Training einstellen sollen. Diese Übungen sind quasi-Techniken aus verschiedenen Stilen und fokussieren verschiedene Trainingsaspekte wie Körperbewusstsein, Flexibilität der Extremitäten und des Rumpfes, Dehnungsübungen, Gleichgewichtskoordination, Ganzkörperbewegungen uvm. Die ausgewählten Übungen werden in mäßiger Geschwindigkeit durchgeführt und führen die Übenden schrittweise an die Bewegungsprinzipien heran, welche im folgenden Unterricht im Fokus stehen. 

 

Acht Brokate 

 

Die Acht Brokate (八段, Bā Duàn Jĭn) ist ein in China weit verbreiteter Kanon von Gymnastikübungen, die sowohl die Körperstruktur, als auch die Haltekraft trainieren. Heutzutage gibt es eine Vielzahl verschiedener Varianten der Acht Brokate, die entweder für den zivilen Bereich, oder aber im Rahmen einer Kampfkunst (martial) trainiert werden. 

 

In unserem Verein trainieren wir eine der „martialen“ Varianten der Acht Brokate nach Zhang Changzhen (Rufname: Zuigui Zhang San). Zhang San war ein bekannter Kungfu Meister eines bis heute nicht endgültig zuordnungsbaren Stils in der chinesischen Provinz Hebei und hatte in der Bevölkerung den Spitznamen „Betrunkener Geist“. Dies deutet schon an, dass die Übungen nach Zhang San etwas weicher und fließender sind, als bei vielen anderen eher starren Acht Brokat-Übungen. 

 

Emei Qi Gong 

 

Neben dem daoistisch geprägten Wu Dang Gebirge (武当山, Wǔdāng Shān) und dem Song Berg (嵩山, Sōng Shān) an dem der chan-buddhistische Shaolin Tempel (少林寺, Shàolín Sì) liegt, ist das Emei Gebirge (峨嵋山, Éméi Shān) eines der wichtigsten Gebirge welches mit chinesischer Kampfkunst assoziiert wird. Die Region um den Berg Emei in der Provinz Szechuan spielt insofern eine Sonderrolle, da hier daoistische und buddhistische Strömungen zusammenkamen und sich gegenseitig beeinflussten. Das hier entstandene QI Gong System, welches beide Traditionen (daoistisch und buddhistisch) gleichermaßen abbildet, ist sowohl von den damaligen regionalen Kampfkünsten und der medizinischen Lehre beeinflusst, welche beide heutzutage zum Großteil leider vergessen sind. 

 

Die Zwölf Säulen des Emei Qi Gongs (Éméi Shí Èr Zhuāng Gōng Fǎ) welche wir trainieren und erforschen umfassen 12 Übungssets die durch geistige und körperliche Arbeit, in Ruhe und Bewegung,  mit meditativen und medizinischen Details zur Lebenskultivierung beitragen sollen. 

 

Xing Yi Nei Gong 

 

Im Kampfkunstsystem des Xingyi Quan nach Großmeister Shang Yun Xiang wird fortgeschrittenen Schüler:Innen ein Übungsset (10-15 Übungen) an statischen (d.h. ohne Schrittfolgen) Bewegungen beigebracht, welche die wichtigen Spannungen, Entspannungen, Dehnungen und Verdrillungen im Körper trainieren, welche wichtig für die notwendige Kraftgenerierung und Kraftemission sind.  

 

Yang Sheng Gong 

 

Im Bereich des Kampfkunstsystems des Xinyiliuhequans (心意六合拳) hat sich ein umfangreiches Set an Yang Sheng Gong Übungen herausgebildet, welche es allen Altersklassen ermöglicht ihre Mobilität und Gesundheit zu pflegen und auszubauen. Diese Übungen orientieren sich an den Tierformen des Kungfu Stiles und geben somit eine eingängige Bilder und Anleitungen zu dieser besonderen Lebens- und Gesundheitspflege. 

 


Literatur 

 

Guorui, Jiao (2006). Qigong Yangsheng. Chinesische Übungen zur Stärkung der Lebenskraft. Frankfurt a.M: Fischer Taschenbuch Verlag. 

Schlicht, C. C. (2013). Ursprünge der Tradition chinesischer Leibmeisterung (qigong). Bochum/Freiburg:edition cathay, band 64, Projektverlag 

Smith R. W. (1974). Chinese Boxing – Masters and Methods. Tokyo, New York, San Francisco: Kodansha International LTD. 

Unschuld, P. (2013). Traditionelle Chinesische Medizin. München: C.H. Beck.